Wer am Prüfungstag krank ist, hat schon genug Sorgen. Jetzt verlangt das Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) einen verschärften Nachweis bei krankheitsbedingtem Rücktritt von Prüfungen. Nicht nur der StudierendenRat findet: Das geht entschieden zu weit!
Viele Studierende kennen diese Situation: Es geht auf das Semesterende zu, die Prüfungen stehen an, Tag und Nacht wurde gelernt und dann kommt auf einmal eine fiese Erkältung oder ein Magen-Darm-Virus. Dann bleibt manchmal nur noch der Gang zur Ärztin, die die benötigte Einschätzung über eine Prüfungsunfähigkeit ausstellt. Doch ob die Prüfung trotz Krankheit abgelegt werden muss oder ob man sich zu Hause auskurieren kann, entscheidet am Ende der zuständige Prüfungsausschuss.
Krankheit ist Privatsache!
An der HTWK Leipzig war es bisher gängige Praxis, dass zur krankheitsbedingten Abmeldung von Prüfungen eine einfache ärztliche Einschätzung über den Gesundheitszustand der studierenden Person genügte, die beim Prüfungsamt eingereicht werden musste. Doch nun verfügt das sächsische Wissenschaftsministerium die landesweite Einführung eines Dokuments, bei dem für den Prüfungsrücktritt eine detaillierte Auflistung der Krankheitssymptome in der ärztlichen Bescheinigung vorgesehen ist. Der StuRa der HTWK Leipzig sowie zahlreiche andere Studierendenvertretungen sind der Meinung, dass diese Art von Krankheitsnachweisen einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Studierenden darstellt und wird das nicht kommentarlos hinnehmen. Auch in Kreisen der Hochschule herrscht Verwunderung und Unmut über die überraschende Handlungsanweisung des SMWK. Denn vor allem an der HTWK Leipzig sorgt diese Änderung für eine drastische Verschlechterung der Situation von Studierenden.
Das SMWK betont zwar, dass nur die Symptome angegeben werden müssen, nicht aber die Diagnose, und die ärztlichen Bescheinigungen nur den zuständigen Stellen zugängig sind. „Jede Person, die eine Suchmaschine bedienen kann, kann anhand der Symptome Rückschlüsse auf den Befund ziehen. Und das geht nun wirklich niemanden etwas an!“, erklärt StuRa-Sprecherin Emma Lose. „Für Arbeitnehmer*innen genügt eine einfache Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die Diagnose erfahren Arbeitgeber*innen nicht, außer man teilt sie freiwillig mit. Zum Schutz der Privatsphäre erteilen auch ärztliches Fachpersonal oder die Krankenkasse keine Auskünfte. Warum aber gilt dieses Persönlichkeitsrecht nicht für Studierende?“
Entscheidung über Prüfungsrücktritt liegt beim Prüfungsamt
Nicht nur, dass Studierende ihre behandelnde Ärztin von der Schweigepflicht entbinden und höchst private Themen vor Hochschulangestellten offenlegen müssen, sie müssen zudem darauf hoffen, dass eben diese Angestellten ihre Symptome als schlimm genug anerkennen und ihnen die Prüfungsunfähigkeit einräumen. „Was passiert denn, wenn die Professor*innen im Prüfungsausschuss finden, dass die genannten Symptome nicht ausreichen, die studierende Person ‚nicht krank genug‘ ist und den Rücktritt verweigern?“, fragt Michel Manthey, ebenfalls StuRa-Sprecher. „Wie soll man eine gute Prüfung ablegen, wenn man aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen nicht voll leistungsfähig ist.“
Das SMWK beruft sich auf den Rechtsbegriff „Prüfungsunfähigkeit“ und die daraus resultierende Rechtsfrage, ob eine Prüfungsunfähigkeit tatsächlich vorliegt. Diese kann laut Wissenschaftsministerium nur die Prüfungsbehörde beantworten, nicht die Ärztin oder der Arzt. „Hier drängt sich ja förmlich die Frage auf, ob das SMWK medizinisch ausgebildeten Personen nicht zutraut, den Gesundheitszustand eines kranken Studierenden zu beurteilen,“ mutmaßt Christian Franz, Referent für Soziales. „Ein weiterer Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden darf, sind die Kosten für solche Atteste. Diese sind von den Studierenden selbst zu tragen. In Zeiten, wo das Geld eh schon knapp ist, kann das für manche ein echtes Problem darstellen.“ Damit der Rücktritt von Prüfungen nicht zu einer Frage der Finanzen wird, erstattet der StuRa Studierenden auf Antrag die Kosten für Atteste bei krankheitsbedingter Prüfungsabmeldung.
Warum jetzt? Warum so? Warum überhaupt?
Der StudierendenRat (und wahrscheinlich viele direkt und indirekt Betroffene auch) fragt sich, was das Ganze eigentlich soll. Welchen Anlass gab es, dass zum Anfang des Sommersemesters das SMWK in dieser Weise auf die Hochschulautonomie Einfluss nimmt? Und warum traut das Ministerium den Prüfungsausschüssen zu, den Gesundheitszustand von Studierenden besser beurteilen zu können, als medizinisch ausgebildetes Fachpersonal? Wie soll so die Privat- und Intimsphäre der Studierenden geschützt werden, wenn ihre Professor*innen einen derart transparenten Einblick in private Angelegenheiten bekommen?
Eine Anfrage dazu ließ das SMWK bislang unbeantwortet.
Deshalb schließt sich der StudierendenRat der HTWK Leipzig den Forderungen der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) und des DGB Sachsen an:
Die Privatsphäre Studierender muss auch bei Rücktritt von Prüfungen gewahrt und die Pflicht zur Offenlegung der Symptome gesetzlich ausgeschlossen werden!
Die Beurteilung der Prüfungsunfähigkeit muss medizinischem Fachpersonal obliegen, nicht Hochschulangestellten!
Anfallende Kosten für Atteste muss die Stelle bezahlen, die sie einfordert!
UND ZWAR JETZT!
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Der StudierendenRat (kurz: StuRa) ist die gesetzlich verankerte Interessenvertretung aller 6.600 Studierenden der HTWK Leipzig.